Freiheit macht Arbeit. 1998
„Freiheit macht Arbeit“ heißt eine ungewoehnliche Ausstellung des Leipziger Fotografen Bertram Kober. Zwei Jahre lang fotografierte er im Gruenauer Klub Kirschberghaus. Zudem ließ er die Jugendlichen sich selbst in einem von ihm installierten Studio fotografieren. Das Ergebnis wird kontroverse Diskussionen ausloesen. Die Bilder werden Kober von voreingenommenen Betrachtern den Vorwurf einbringen, dass er den Rechtradikalismus verharmlose. Denn die Selbstinszenierung der Jugendlichen bricht mit Sehgewohnheiten und stellt die abrufbereiten Bilder, die Normalbuerger da im Kopf haben, in Frage. Kober zwingt zu einer neuen Auseinandersetzung mit den rechten „Schmuddelkindern“. Sind es nur arme, verunsicherte und irregeleitete Heranwachsende? Oder sind sie, zumindest in Gedanken, bereits die gewalttaetigen Neonazis, die ostdeutsche Staedte vor allem fuer Auslaender zu gefaehrlichen Zonen machen? Kober serviert keine Antworten auf dem Silbertablett. Die Bilder lassen vielmehr Spielraum fuer Interpretationen. Eine Reihe der Fotos zeigt verspielte Jugendliche, die sichtlich Spaß an der provozierenden Pose haben. In anderen drueckt sich offene Aggressivitaet aus.
Unsicherheit – damit kann man den zweiten Teil der Schau ueberschreiben, der Aufnahmen zeigt, die Kober selbst gemacht hat. So unterschiedlich naemlich die einzelnen Jugendlichen auch sein moegen, eines drueckt sich in fast allen Gesichtern aus – Irritation und krampfhaft zurueckgehaltene Angst. Die sollte mehr beunruhigen, als der eine oder andere Junge in provozierender Sieg-Heil-Pose. Denn Angst und Unsicherheit sind Haupttriebfedern eruptiver Aggression. Wer will, sieht mit Bertram Kobers Bildern, dass fuer diese Jugendlichen eine Welt untergegangen ist, und an deren Stelle keine neue, lebenswerte getreten ist.
Eckehard Seidel-Pielen
Ganz andere Bilder. In:
Leipziger Volkszeitung / Kultur vom 11.9.1998. Seite 20