bauLICHTleipzig. 1997
In der Serie „bauLICHTleipzig“ fixiert Bertram Kober Wunden des Stadtumbaus in Nacht- und Daemmerstunden. Die Farblichtstimmungen transportieren die Orte, unter anderen den Leipziger Hauptbahnhof, in irreale, fast zeitlose Momente des Innehaltens.
Ueber die Themen hinweg motivieren Bertram Kober nicht minder der Aspekt der Zeit, des Zeitvergleichs und natuerlich die Beschreibung der Veraenderung darin … Doch selbst die erheblichen Veraenderungen dauern, gemessen am Alter und am Geist der Gebaeude, nicht lange. Und nun kommt der Fotograf und blitzt seine Lichtbahnen hinein, so dass fuer Bruchteile von Sekunden Quecksilberdampf- und Natriumlampen sowie das natuerliche Licht ein verfremdendes Lichtmuster ins Dunkle werfen. Dieser Moment geht ueber die Lichtgestaltung hinaus. Die Beleuchtung gehoert zum Aspekt des Fotos.
Dr.
Meinhard Michael
Auszug aus: Von der symbolischen Kraft des Alltaeglichen. Der Fotograf Bertram
Kober. In: Leipziger Blaetter 31. 1997. Seite 56
Der radikale Umbau des groeßten Kopfbahnhofs Europas fand vor zehn Jahren statt. Dramatische Rueckgaenge der Passagierzahlen der Bahn gerade nach 1989 beschleunigten die Suche nach Zukunft fuer das gigantische denkmalgeschuetzte Gebaeude. Der Patient Leipziger Hauptbahnhof wurde einer Totaloperation mit anschließender Implantation unterzogen. Die Planungsexperten fuer Einkaufszentren begeisterten sich fuer den Ort und projektierten entgegen bisheriger gruene Wiese verbrauchender Gewohnheiten inmitten des Querbahnsteigs eine Shoppingmall mit drei Etagen. Die durch die Wende gestressten Leipziger und die nicht wenigen Bahnliebhaber zeigten wenig Begeisterung fuer den geplanten Konsumtempel im Bahnhof. Der Argwohn kulminierte, als sich herausstellte, dass zwei Bahnsteige zukuenftigen PKW-Parkflaechen weichen sollten. Zehn Jahre nach Oeffnung der Ladengeschaefte ist der Patient wohlauf. Die Designqualitaet des "Herzschrittmachers" entspricht leider nicht dem Anspruch seiner ehrwuerdigen Huelle. Als professioneller Zweifler bleibt mir festzustellen: Das Gebaeude funktioniert. Vielleicht die Ausnahme, die die Regel bestaetigt. Diese zeigt sich schon an den peripheren Gebieten draußen im Gleisgelaende. Es sind schrumpfende Areale, mit Leerstand, Abriss und Verwahrlosung. Meine Bilder von der Totaloperation entstanden zwischen 1995 und 1997. Ich hoffe, dass die fassettenreiche Schilderung des Spektakels auch fuer den Betrachter die emotionale Dimension der Umwaelzung bezeugt, die damals stattgefunden hat.
Bertram Kober
Operationsfeld Leipziger
Hauptbahnhof. 2008