Bosnien. 1994

In jedem Zeitraum, in dem sich Bertram Kober in den letzten Jahren bewegte, geschah Gewaltiges und Gewalttaetiges. Die Folgen der Granaten in Mostar und die Umbauten im Hauptbahnhof sind dann die Ingridenzien, die das Gas unserer Kultur ausmachen. Es mag im ersten Moment frech erscheinen, die zynische Kriegszerstoerung einerseits und die rigorose Baufreiheit durch Entkernung andererseits zu verbinden. Aber Kultur, dieses feinsinnige Gemisch, kennt keine Scham, keine mechanische oder juristische Kausalitaet. In ihr vermischen sich die Dinge bis zur Unkenntlichkeit. Deutlicher als im Baugeschehen, ja offenbar ist der Zusammenhang zwischen den aggressiven Wotan-Gesten der Rechten auf Kobers Selbstausloeser-Aktion und dem zertruemmerten Kinderspielzeug (dessen Vorgaenger Schuhe aus Lublin sind). Genau in diesem – nicht vordergruendigen, aber zeitgeschichtlich bemerkenswerten – Zusammenhang findet man den Kern von Kobers juengeren Fotografien.

Dr. Meinhard Michael
Auszug aus: Von der symbolischen Kraft des Alltaeglichen. Der Fotograf Bertram Kober. In: Leipziger Blaetter 31. 1997. Seite 56

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