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Bertram Kobers faszinierende Fotografien prägen die von der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen gemeinsam mit dem Deutschen Werkbund Sachsen initiierte Wanderausstellung »Industriearchitektur in Sachsen: erhalten – erleben – erinnern«. Seit Herbst 2011 ist diese Ausstellung unterwegs – beginnend im Industriemuseum Chemnitz, gezeigt in Crimmitschau, Dresden, Freiberg, Leipzig, Oelsnitz/Erzgeb., Radeberg, Wurzen und Zittau.
Die Initialzündung und zugleich das Grundlagenwerk für dieses Ausstellungsprojekt war das 2010 erschienene Buch »Industriearchitektur in Sachsen. Erhalten durch neue Nutzung« von Bernd Sikora, der Bertram Kober bereits hierfür als Fotograf gewonnen hatte. Inzwischen sind neue Aufnahmen entstanden, denn jeder Ausstellungsort hat das Gesamtvorhaben um eine wichtige regionale Facette bereichert.
Die Wirkmacht von Bertram Kobers Bildern über die begrenzte Ausstellungsdauer hinaus zu bewahren und dadurch die Wertschätzung und ein breit aufgestelltes Engagement für den Erhalt von Industriearchitektur zu fördern, ist wesentliches Anliegen dieses Buches. Architekturfotografie spielt im umfangreichen Werk des mehrfach international ausgezeichneten Leipziger Künstlers seit Langem eine wichtige Rolle. Bertram Kober hat in den 1980er Jahren bei Evelyn Richter und Arno Fischer an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert und ist Mitbegründer der Fotoagentur PUNCTUM. Durch seinen Fokus gewinnen die zum Teil dringend erhaltungsbedürftigen Bauten neue Kraft und Würde. Seine Bilder sind geprägt von einer ausgewogenen Balance aus Sachlichkeit und Emotionalität.
Welche Intentionen und Erfahrungen den Künstler und Fotografen bei der Arbeit mit Sachsens Industriearchitektur bewegt haben, gibt Bertram Kober in einem Interview mit Thomas Bille in diesem Buch preis.
Gemeinsam mit der Landesstelle für Museumswesen kuratiert Buchautor Bernd Sikora engagiert das für Kulturvermittlung und öffentlichen Diskurs bestens geeignete Ausstellungsformat, das von zahlreichen Tagungen und Veranstaltungen begleitet wird. Bernd Sikoras gemeinsam mit den beteiligten Museen und Instituten erarbeitete Ausstellungstexte und Informationen zu den einzelnen Gebäuden sind dem opulenten Bilderreigen angefügt.
Wichtiges Anliegen war und ist es, mit dem Fokus auf neue Nutzungen darauf hinzuweisen, wie lohnenswert es für eine gesamte Stadtbevölkerung bzw. Bürgergemeinschaft sein kann, historische Gebäude aus Sachsens Industriegeschichte zu erhalten. Zugleich wird das Augenmerk bewusst über reine Produktionsstätten hinaus auf die verschiedenen Aspekte von Industriekultur gelenkt – vom Betrieb selbst über die nahe gelegene Unternehmervilla, die Werkssiedlungen bis hin zu Kulturhäusern und Einrichtungen der Sozialversorgung.
Die gezielte Erhaltung und innovative Nutzung des industriearchitektonischen Erbes erfordert das kontinuierliche Zusammenwirken von Akteuren aus den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Architektur, Stadtplanung und Denkmalpflege, Kultur und Tourismus sowie Gewerbe und Industrie. Das Gelingen derartiger Projekte ist bei Weitem kein Einzelfall. Umso bedauerlicher ist es, dass es trotz der Ausstellung nicht gelungen ist, sanierungsfähige Bauten vor dem Abriss zu retten. Dazu gehören sowohl das ALWO-Gebäude in Meerane als auch der Lautex-Riegel in Ebersbach-Neugersdorf.
Wesentlich für den langfristigen Erhalt von oft stadtbildprägenden Industriebauten wird sein, zeitnah gute Strategien für eine überbrückende Sicherung oder gegebenenfalls Zwischennutzungen zu entwickeln, die eine Abkehr von den Extremen eines »0-oder-1-Denkens« – einerseits die Beförderung von »Abriss vor Erhalt«, andererseits der perfektionistische Anspruch an Sanierungen und damit Kostenexplosionen – mit sich bringen. Hier bedarf es in interdisziplinärer Abstimmung neuer Vorgehensweisen, die dem rein rechnerisch oft preiswerter erscheinenden Paket aus Abriss und Neubau stets eine energieökologische sowie stadtkulturhistorische und stadtraumästhetische Gesamtbewertung des Vorher und Nachher voranstellen.
Identität, Stadtbild- und Stadtraumästhetik rechnen sich auf Dauer, lassen sich aber selten exakt berechnen. Es bedarf einer neuen Offenheit für neue Ideen künftiger Generationen, denen diese Bauten auf einem verträglichen Erhaltungslevel zu übergeben sind.
Katja Margarethe Mieth
Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen/Staatliche Kunstsammlungen Dresden